Energiewende: Von China lernen?

Die Energiewende in Deutschland stockt. Für ein hochentwickeltes westliches Industrieland eine unwürdige Entwicklung. Wie man es besser macht, demonstriert ausgerechnet der ehemalige Klassenfeind: China. So sieht das jedenfalls Holger Krawinkel, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen im Tagesspiegel.

In seinem Beitrag schlägt er für die Energiewende eine Folge von Fünfjahresplänen nach chinesisch-staatskapitalistischem Vorbild vor. Nachdem der Markt  bislang für die Energiewende wenig überzeugende Lösungen geliefert habe, könne nur ein staatskapitalistischer Fünfjahresplan eine integrierte Planung aller für die Energiewende nötigen Schritte ermöglichen.

Wir müssen Herrn Krawinkel Recht geben: Wesentlich schneller ginge die Umsetzung der Energiewende auf Chinesisch natürlich schon. Mitglieder der Atomlobby, Netzausbaugegner und sonstige störende Kritiker würden einfach verschwinden. Mit Hilfe gezielter Enteignungen und Umsiedelungen ganzer Dörfer und Städte könnten endlich Stromtrassen, Wind-, Solar- und Wasserkraftwerke am optimalen Standort errichtet werden. Selbst das Problem der fehlenden Grundlastfähigkeit von Ökostrom ließe sich politisch lösen: Mit einem Dekret aus der Berliner Halle des Volkes, nur Strom zu verbrauchen, wenn auch welcher da ist. Und die geheime Staatspolizei für Energiefragen überwacht die Umsetzung über staatliche Trojaner, getarnt als „Smart Meter“. Schöne neue Welt!

Bei aller Polemik: An der Ausgangsdiagnose von Herrn Krawinkel ist natürlich etwas dran: Der übereilt beschlossenen Energiewende fehlt ein integriertes und  strukturiertes Konzept zur Umsetzung. Gute, langfristige Projektsteuerung sieht anders aus.

Ob aber planwirtschaftliche Fünfjahrespläne die richtige Lösung sind? Es ist seit Jahrzehnten „common sense“, sowohl in der volkswirtschaftlichen Theorie als auch in der Regulierungspraxis von Monopolbereichen, dass der Markt regelmäßig wünschenswertere Ergebnisse erzielt als staatliche Eingriffe (z.B. geringere Preise, bessere Qualität, höherer Innovationskraft). Die aktuelle, unbefriedigende Lage der Energiewende in Deutschland ist keine Folge von Marktversagen, wie es Herr Krawinkel darstellt. Sondern von Politikversagen.

Und noch etwas: China als Vorbild für Deutschland zur Umsetzung der Energiewende anzuführen ist auch aus anderen Gründen sehr unglücklich. China hat noch erhebliche Defizite in den Bereichen demokratische Willensbildung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, freie Meinungsäußerung oder Arbeits- und Umweltschutz. Diese Missstände muss man unbedingt erwähnen, wenn man volkswirtschaftliche Ergebnisse einer Diktatur mit einer demokratisch und marktwirtschaftlich organisierten Staatsform vergleicht.

Was wir in Deutschland brauchen, sind auf keinen Fall chinesische Verhältnisse. Mit einer Beachtung einfachster Grundsätze der Strategieentwicklung und des Projektmanagements wäre schon viel erreicht. Fangen wir mit den wichtigsten Fragen an: Was ist das Ziel, was soll erreicht werden? Was sind die Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen? Welche Mittel müssen für die Umsetzung der Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden? Um darauf zu kommen muss man kein Chinese sein.

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