Aufspaltung ist in – nicht nur, wo Kernspaltung out ist!

EON hat es vorgemacht, RWE macht es (nun doch) auch: Beide Konzerne spalten sich auf in voneinander unabhängige „grüne“ und konventionelle Energieerzeugungssparten. Diese Art von Befreiungsschlag könnte auch außerhalb Deutschlands Schule machen. So hat jetzt auch der US-Energieriese NRJ Energy angekündigt, seinen „clean energy business“ abzuspalten. Und viele Analysten glauben, dass weitere folgen werden.

„NRJ Energy is resetting itself“, teilte NRJ Energy nach einem Bericht des  Branchen-Dienstes Greentech Energy seinen Investoren Ende 2015 mit. Das Wall Street-Unternehmen gehört zu den größten Energieversorgern der Vereinigten Staaten. Politischer Druck war offenbar nicht der Auslöser für diesen Schritt. Einen von oben verordneten Atomausstieg wie in Deutschland gibt es in den USA nicht. Davür gibt es Druck von der Investorenseite, und der scheint beträchtlich zu sein.

„Investoren sind bei Investments in integrierte Energieversorger sehr vorsichtig“, wird in einem Artikel des Nachrichtenportals energate ein Morgan Stanley-Banker zitiert. Viele Investoren setzen offenbar zunehmend auf Portfolios ohne fossile Brennstoffe. Für die traditionellen „Gemischtwarenläden“ unter den Stromkonzernen scheiden sie damit als Geldgaber aus – selbst wenn diese auch Strom aus erneuerbaren Energien anbieten. Werden dagegen diese erneuerbaren Sparten als separate Einheit abgespalten, kommen auch die Geldgeber wieder.

Neben diesem defensiven Ansatz, gibt es aber möglicherweise auch positive Gründe, die für einen solchen Schritt sprechen. Ein Private Equity Portfolio Manager formuliert es so: „NRG wettet auf eine grüne Premiumsparte.“ Mit anderen Worten: Das Unternehmen spekuliert darauf, dass sich in den nächsten Jahren mit „sauberer“ Energie als Premium-Produkt viel Geld verdienen lässt. Und dieses Geld soll den Investoren zugute kommen – und nicht in der Quersubventionierung weniger wirtschaftlichen Energieerzeugungssparten verpuffen.

Investmentbanken begrüßen offenbar diese „Aufspaltungs-Strategie“. Die Renditen in der konventionellen Erzeugung seien rückläufig. Geld werde momentan im Netzbereich und mit den erneuerbaren Energien verdient. Hinzu kommt das Überangebot bei fossilen Energien, der es erschwert, in dieser Sparte lohnende Investitionsobjekte zu identifizieren. Viele konventionelle Kraftwerke schrieben Verluste, die Schließung von Anlagen werde in Zukunft zunehmen, meint ein Merrill Lynch Banker gegenüber energate.

Die Beispiele Eon und RWE könnten deshalb der Beginn eines Trends sein. „Es gibt die Tendenz, sich aufzuspalten“, so ein anderer Banker.

Strauchelnde Stromkonzerne sind normal!

Dass Märkte sich nicht linear und in friedlicher Idylle entwickeln, sondern mit Brüchen und Begleitschäden, gehört zum kleinen Einmaleins der Ökonomie. Neue Technologien und Produktionsfaktoren setzen sich durch und verdrängen alte Strukturen, die dadurch zerstört werden. Diese so genannte „schöpferische Zerstörung“ ist kein Fehler im System, sondern zwingend notwendige Begleiterscheinung von Innovationen in Technik und Markt. Warum fällt das im Falle der Energiebranche vielen so schwer, zu akzeptieren?

Die Situation der großen Stromkonzerne spitzt sich weiter zu. Vattenfall denkt laut über einen Rückzug aus Deutschland nach, EnBW meldet einen massiven Gewinneinbruch. Die traditionellen Geschäftsmodelle der großen Versorger “tragen nicht mehr”, hatte EnBW-Chef Frank Mastiaux im Juni gesagt. Ähnlich äußerte sich auch RWE-Chef Peter Terium auf der letzten Bilanzpressekonferenz und erwartet einen dramatischen Gewinnrückgang. Tatsache ist: Dezentrale Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft ist erschwinglich geworden und breitet sich deshalb immer mehr aus. Das stellt das alte, zentralistische Geschäftsmodell der Konzerne grundsätzlich in Frage.

Dass die Konzerne lautstark darüber lamentieren und alles versuchen, um diesen Prozess zu stoppen, ist verständlich. Wir sollten uns davon und von den kleinteiligen, durch Konzern-Lobbyismus geprägten politischen Debatten um EEG-Umlagen, Ausnahmeregelungen etc. jedoch nicht einnebeln lassen. Stattdessen sollten wir es als das sehen, was es ist: Symptom eines völlig normalen wirtschaftlichen Prozesses – schöpferische Zerstörung.

Eine Abwandlung dieser Idee hat der US-amerikanische Ökonom Clayton Christensen in seinem Buch „The Innovators Dilemma“ formuliert: Er spricht von „disruptiven Technologien“, die den Markt aufmischen und letztendlich neu ordnen. Eine disruptive Technologie ist eine Innovation, die geeignet ist, eine bestehende Technologie und bestehende Marktstrukturen möglicherweise vollständig zu verdrängen. Anschauliches Beispiel ist das Aufkommen der Digitalfotografie, das analoge Fotografie praktisch völlig verdrängt hat. Disruptive Technologien entstehen in der Regel in abgelegenen Nischen des Marktes und vor allem ohne dass die etablierten Anbieter dies erwarten. Als Nischenprodukte mit kleinem Marktvolumen sind sie für die Platzhirsche zunächst nicht interessant. Sobald sie jedoch technisch ausgereift sind, verzeichnen sie ein extremes Wachstum, und sind dadurch in der Lage, vorhandene Märkte komplett oder teilweise zu verdrängen.

Genau das geschieht derzeit auf dem Elektrizitätsmarkt: Die erneuerbaren Energien und dezentralen Erzeugungstechnologien waren zunächst etwas für „Ökos“ und Enthusiasten. Klein und margenschwach mussten sie zu Beginn durch Subventionen gestützt werden. Inzwischen aber sind sie technisch deutlich weiterentwickelt, und vor allem sehr viel billiger und damit erschwinglich geworden. Gleichzeitig – und befeuert durch die sinkenden Kosten – steigt die Nachfrage extrem an.

Es spricht also einiges dafür, dass sich der Energiemarkt in einer disruptiven Phase befindet. In anglo-amerikanischen Medien wird dies inzwischen zunehmend so gesehen, wie z.B. Artikel im Forbes-Magazine oder dem Energy Law Journal zeigen. Hierzulande hat kürzlich der Blog Phasenprüfer diese Auffassung vertreten. Auch der Befund der Investmentbank UBS in Ihrer am 20. August veröffentlichten Branchenstudie geht eindeutig in diese Richtung: „Power is no longer something that is exclusively produced by huge, centralised units owned by large utilities.“ und weiter: „Large-scale power generation, however, will be the dinosaur of the future energy system: Too big, too inflexible, not even relevant for backup power in the long run.“

In der öffentlichen Debatte wird dies jedoch bisher kaum in dieser Deutlichkeit ausgesprochen. Sie ist geprägt von kleinteiligen Scharmützeln um Detailfragen und den Kampf der Konzerne um Ihre Erbhöfe. Dabei wäre die Betrachtung des Themas in einem größeren wirtschaftlichen Zusammenhang einem Großprojekt wie der Energiewende angemessen. Und ehrlicher wäre es auch.

An ihren Prognosen sollt ihr sie messen

Wie immer zum Jahresanfang mangelt es nicht an Prognosen, was das “Energiejahr 2014” wohl bringen wird. Dann geht das Jahr ins Land und niemand prüft nach, ob sie denn auch gestimmt haben. Wir schon: Heute stellen wir exemplarisch zwei interessante Prognosen vor, und in einem Jahr prüfen wir, ob sie eingetreten sind. Versprochen!

Der Energiejournalist Jakob Schland hat im Blog Phasenprüfer fünf Vorhersagen zur deutschen Energiepolitik 2014 veröffentlicht: 1. Sigmar Gabriel wird seine EEG-Reform weitgehend unverändert durchsetzen. 2. Europa zerstreitet sich heillos über den Klimaschutz. 3. Die Krise der Solarwirtschaft wird sich auf die gesamte Öko-Energiebranche ausweiten, also auch auf Windkraft, Biomasse, Forschung, die Beraterbranche etc. 4. Andere Zukunftsthemen wie etwa die Speichertechnologie oder Eigenstromerzeugung werden kaum vorankommen. Denn der Markt für Eigenstromerzeugung ist durch die EEG-Umlage praktisch tot. 

Als fünfte Vorhersage prohezeit Schland schließlich noch eine “große Unbekannte”. So wie es in den vergangenen Jahren regelmäßig eine Überraschung gegeben hat, die niemand auf dem Zettel hatte (der EEG-Schock, Fukushima, der Ausgang der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2012 etc.), wird es auch dieses Jahr wieder ein unvorhergesehenes Ereignis geben. Vielleicht ein Blackout oder – mit etwas Optimismus – vielleicht doch eine unerwartete Einigung der EU auf eine gemeinsame Energiepolitik?

Eine globale Perspektive nimmt Michael Liebreich, CEO von Bloomberg Energy Finance, ein. Er prophezeit für 2014 “a year of cracking ice”. Das Bild drückt aus, dass sich seiner Einschätzung nach über die letzten Jahre auf dem Energiesektor ein enormer Veränderungsdruck aufgebaut hat, der sich bald entladen wird. 2014 sieht er das Eis bersten.

Als Beispiele nennt er die Angleichung der Produktionskosten für Solar- und Windenergie an konventionell erzeugte Energie, die steigende Flexibilität der Stromnetze und den Einfluss der Erneuerbaren Energien auf den Strompreis. Auch die zunehmende Aufgeschlossenheit der Verbraucher gegenüber neuen Technologien wie Elektro-Autos oder etwa dem Nest Thermostat in den USA spielt eine Rolle. Gleichzeitig dämmere den Energieanbietern, dass diese Entwicklung ihr bisheriges Geschäftsmodell existenziell in Frage stellt. Und Investoren fingen an, sich Sorgen um Ihre Investments in fossile Brennstoffe zu machen, worüber wir auch in diesem Blog schon an anderer Stelle berichtet haben.  

Ob das stimmt? Die nächsten Monate werden es zeigen. Das Blogheizkraftwerk beobachtet weiter die Wirklichkeit und sagt ihnen im Dezember, ob das Eis tatsächlich geborsten ist und Gabriel sich durchgesetzt hat. Wir sind gespannt.

Energiewende: Gaskraftwerke werden zu Ladenhütern

Quelle: handelsblatt.com Aufgrund der gesunkenen Börsenstrompreise und dem zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien lohnen sich große Gaskraftwerke nicht mehr - das Geschäft in Deutschland ist zum Erliegen gekommen; das Geschäft mit Gasturbinen macht Siemens zum Beispiel mittlerweile im Ausland. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: kleine Gaskraftwerke (Mini-Blockheizkraftwerke) rechnen sich - das wissen wir aus eigener Erfahrung. Auch hier gilt: Small is profitable!

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