Ist der Photovoltaik-Markt rational?

Die Nachrichten aus der Photovoltaik-Branche zeichnen auf den ersten Blick ein paradoxes Bild: Zwar gilt Photovoltaik als Energieerzeugungs-Technologie der Zukunft. Gleichzeitig ziehen sich jedoch derzeit  große und namhafte Unternehmen aus der PV-Produktion zurück oder rutschen in die Insolvenz. Selbst in China.  

Die kürzlich veröffentlichte und vom Mineralölkonzern Shell beauftragte Studie New Lens Scenario kommt zu dem Schluss, dass Photovoltaik in 50 Jahren die Stromerzeugungstechnologie Nummer eins sein wird. Investieren will Shell in diese Technologie derzeit jedoch nicht. Im Gegenteil, und das mag paradox scheinen: Das Unternehmen hat sich vor zwei Jahren aus derProduktion von Photovoltaikmodulen zurückgezogen.

Auch andere Unternehmen steigen aus, obwohl Photovoltaik als Zukunftsmarkt gilt: So hat Bosch Ende März angekündigt, seine  Herstellung von Photovoltaikmodulen einzustellen und betont, wie schmerzhaft diese Entscheidung war. Allerdings mussten die Versuche, mit dieser Sparte Geld zu verdienen, als gescheitert erklärt werden.

Dass für westliche Unternehmen die Herstellung von Solarmodulen aufgrund der billigeren Konkurrenz aus Asien kaum noch rentabel ist, ist inzwischen Allgemeingut. Wie stark sich die Preisschere auseinander entwickelt, verdeutlicht eindrücklich diese Grafik des amerikanischen Branchenmediums Greentech:

Dass diese Entwicklung nicht spurlos an den Modulherstellern vorbeigehen kann haben die Insolvenzen der deutschen Hersteller in den vergangenen Jahren gezeigt. Auch der deutsche Branchenprimus Solarworld meldet aktuell in einer ad-hoc Mitteilung, dass die Hälfte seines Grundkapitals durch Verluste aufgezehrt wurde.

Aufhorchen lässt jedoch, dass die „teuren“ Europäer nicht die einzigen sind, die am Markt scheitern. Unlängst hat Suntech, einer der größten Modulhersteller Chinas Bankrott erklärt, LDK Solar, ebenfalls ein Hersteller aus China, scheint Zahlungsprobleme zu haben. Viele sehen dies als Anzeichen, dass selbst in China eine Marktbereinigung bevorsteht.

Was aber bedeutet das für den Markt, wenn nicht nur in Europa, sondern weltweit die großen und etablierten Anbieter scheitern? Ist der Markt dadurch irrational? Nein, eher äußerst dynamisch: Die Technologievorsprünge schmelzen so schnell, dass Marktführerschaft sogar ein Nachteil sein könnte. Einige Analysten sprechen von der „last-mover-advantage“: Aufgrund der rapiden technologischen Entwicklung sind große Produktionsanlagen binnen weniger Jahre überholt. Gleichzeitig sinken die Preise des Rohstoffs Silizium.

Paradox aber ist diese Marktentwicklung keineswegs, denn – und das wird oft bewusst oder unbewusst ausgeblendet – der vermeintliche Widerspruch – steigende Modulnachfrage und kränkelnde Modulhersteller – betrifft völlig unterschiedliche Stufen einer  Wertschöpfungskette:

Auf der Kundenseite werden Photovoltaikmodule vom Markt angenommen und immer noch stark nachgefragt, was zeigt, dass die Technologie erfolgreich ist und Zukunft hat. Dass auf der Herstellerseite die Produzenten derzeit scheitern, widerspricht dem nicht. Im Gegenteil: Die Entwicklung, so disruptiv sie auch für viele Marktteilnehmer ist, trägt letztlich dazu bei, dass Photovoltaik als Energieerzeugungs-Technologie immer billiger und immer mehr zum Allgemeingut wird. Und gerade weil Photovoltaikmodule so viel günstiger geworden sind, konnte in Deutschland z.B. bereits die Netzparität erreicht werden.

Wie bei allen Technologieprodukten, die zu Commodities werden, wird sich auch mit der Herstellung von Photovoltaik langfristig Geld verdienen lassen. Aber nicht für alle Anbieter und vermutlich nicht in Europa. Dass der Photovoltaikmarkt einem „normalen“ und für neu eingeführte Technologien geradezu typischen Muster folgt, hat auch das Branchenmedium „photovoltaik“ unlängst thematisiert. Die treffende Überschrift zum Artikel lautet „Keine Panik“.

We’re a small country and we’ve got lots of sun!

Ganz Amerika zerbricht sich den Kopf, warum Photovoltaik-Anlagen in Deutschland (bezogen auf die Stückkosten pro Wp) nur etwa halb so viel kosten wie in Amerika. Die USA verstehen sich immerhin als ein Land der Innovationen, in dem neue Technologien in der Regel schnell zur Marktreife gebracht werden. Hinzu kommt, dass weite Teile des Landes als recht sonnenverwöhnt gelten.

Der konservative Nachrichtensender Fox News bzw. dessen „Energieexpertin“ Shibani Joshi hat dafür eine überraschend einfache Erklärung parat: Deutschland ist eben ein kleines Land, und es gibt dort viel Sonne. Jedenfalls viel mehr als in den USA.

(ab Minute 2:50)

Ganz so einfach ist es in Wirklichkeit natürlich nicht. Tatsächlich hat Deutschland vergleichbar viele Sonnenstunden wie Alaska, wie Wissenschaftler des amerikanischen National Renewable Energy Laboratory nachgerechnet und auf der untenstehenden Karte dargestellt haben.

So kommt eine etwas tiefergehende Analyse des Lawrence Berkeley National Laboratory auch zu differenzierteren – und interessanten – Ergebnissen: Die größten Kostentreiber in den USA sind gerade nicht die Kosten für die Anlagenkomponenten selbst, sondern vor allem die im Vergleich zu Deutschland wesentlich höheren so genannten „soft costs“ bei der Abwicklung von Photovoltaik-Projekten. Dazu gehören insbesondere längere Projektumsetzungszeiten und damit verbunden höheren Lohnkosten, spezifisch teurere, weil durchschnittlich kleinere Anlagen, und – wer hätte das gedacht – ein höherer Genehmigungsaufwand in den USA. Zusammenfassend stellt die untenstehende Grafik (Seite 38) die Zusammenhänge übersichtlich dar.

Die Kostenstruktur im Solarmarkt hat also nur sehr bedingt etwas mit den klimatischen Verhältnissen oder der Größe eines Landes zu tun. Entscheidend sind vielmehr die politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Und in dieser Hinsicht ist Deutschland offensichtlich den USA derzeit ein deutliches Stück voraus. Da können wir verschmerzen, dass unser Wetter schlechter ist als sein Ruf – zumindest bei Fox News in den USA.

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