Sensationelle Kehrtwende: E.ON setzt künftig auf “Kundenlösungen”

Mit der Ankündigung, sich von seiner klassischen Kraftwerksparte zu trennen, hat der Energieversorger E.ON alle überrascht. Statt auf Großkraftwerke will der Konzern künftig vor allem auf Kundenlösungen und „die neue Energiewelt“ setzen. Der Schritt ist überfällig und richtig. Einige interessante Fragen bleiben allerdings offen.

In einer Pressekonferenz am 1. Dezember ließ Deutschlands größter Energieversorger E.ON die Bombe platzen: Das Unternehmen will sich künftig auf Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen (sic!) konzentrieren. Die Geschäftsfelder konventionelle Erzeugung, globaler Energiehandel und Exploration & Produktion sollen deshalb abgespalten und in eine neue, eigenständige Gesellschaft konzentriert werden, die an die Börse gebracht werden soll.

(Quelle: E.ON SE, http://www.eon.com/de/presse/presse-konferenzen/archiv/2014/12/1/pressekonferenz-zur-neuen-konzernstrategie.html)

Natürlich hat diese Ankündigung ein wahres Rauschen im Blätterwald erzeugt. „E.on und E.off“ tauft die Süddeutsche Zeitung die beiden künftigen Unternehmen, der Economist variiert „E.on and E.out“. Insgesamt reichen die Reaktionen der Presse von Lob über Schadenfreude bis zur Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung, die diesen Schritt erzwungen hat, etwa in der FAZ. Wir meinen: Der Strategiewechsel war ein mutiger und überfälliger Schritt. Dezentralen Versorgungslösungen gehört die Zukunft – das Zeitalter der Großkraftwerke neigt sich dem Ende zu.

E.ON entdeckt den Kunden

Wer in der neuen Strategie auffallend häufig auftaucht, ist „der Kunde“. In seinem Statement spricht E.ON-Vorstand Johannes Teyssen von einer „neuen Energiewelt“, die gekennzeichnet ist von „Schnelligkeit, Innovation und Digitalisierung“. In dieser Welt wollen die Kunden eine „aktivere Rolle bei der Gestaltung ihrer individuellen Energieversorgung“ spielen. Deshalb will E.ON „Kundenlösungen“ anbieten, „Kundennähe“ sei ein „entscheidender Erfolgsfaktor“. Soweit, so richtig. Man fragt sich allerdings: Wenn E.ON sich erst jetzt auf den Kunden konzentriert – woran hat man sich vorher orientiert? Offenbar war das bislang nicht so notwendig.

Und so können wir uns als notorischer Anbieter von Kundenlösungen ein klein wenig Häme dann doch nicht verkneifen. Immerhin ist es auch gar nicht lange her, dass E.ON-Chef Teyssen Eigenstromerzeuger (also seine künftigen Hauptkunden) in einem Interview als „Schwarzbrenner“ bezeichnete und damit dezentrale Stromerzeugung in eine halblegale, zumindest moralisch fragwürdige und unsolidarische Ecke zu drängen versuchte. Dabei war E.ON zu dieser Zeit bereits selber klammheimlich unter die Schwarzbrenner gegangen. Und jetzt? Jetzt macht E.ON die Positionierung als Dienstleister für eben diese Schwarzbrenner zum Kernpunkt der neuen Unternehmensstrategie. So etwas nennt man Kehrtwende.

Aktionäre gesucht

Dennoch muss man E.ON für seinen radikalen Strategiewechsel Respekt zollen. Die Verwerfungen im Energiemarkt sind gewaltig und haben in kürzester Zeit die Geschäftsgrundlage der Großversorger radikal verändert. Ein derart großes Unternehmen auf diesen Wechsel einzustellen ist kein leichtes Unterfangen.

Allerdings bleiben noch einige interessante Fragen offen. So zum Beispiel, wer die Aktien für die abgespaltene Kraftwerk-Sparte kaufen soll. Das Handblatt meint spitz, die Papiere seien etwas für Investoren, die seit Beginn der Energiewende keine Zeitung gelesen haben. Viele vergleichen das neue Unternehmen mit einer „Bad Bank“. Statt toxischer Wertpapiere sollen hier veraltete Technologien gebündelt und abgewrackt werden. Andere Analysten sehen durchaus eine Perspektive und verweisen darauf, dass das neue Unternehmen schuldenfrei ist und über ausreichend Rücklagen verfügt, um den Ausstieg aus der Kernenergie zu finanzieren. Es wird in jedem Fall interessant sein, zu beobachten, wie sich dieses Unternehmen und sein Aktienkurs in den nächsten Jahren entwickeln.

Was machen die anderen?

Interessant wird auch sein, wie die anderen „Großen“ reagieren – RWE, EnBW und Vattenfall. RWE hat offenbar nicht vor, sein grundsächliches Geschäftsmodell in naher Zukunft aufzugeben und will seine Kohlekraftwerke nicht kampflos aufgeben. Das Unternehmen setzt auf einen sanften Wandel, d.h. es will grüner und flexibler werden und dabei gleichzeitig Großkraftwerke weiter betreiben. EnBW fährt eine ähnliche Strategie, während Vattenfall schon vor längerer Zeit angekündigt hat, sich von seiner Braunkohle-Sparte zu trennen. Welche Strategie sich als die richtige erweist, werden die nächsten Jahre zeigen. Klar ist, dass zumindest alle großen Versorger die Zeichen der Zeit erkannt haben.

The new economics of oil: Sheikhs v shale

Quelle: economist.com Eine differenzierte Analyse der"neuen" Treiber und Verhältnisse auf dem globalen Ölmarkt. Niedrige Ölpreise, getrieben durch nachlassende Nachfrage aufgrund einer  lahmenden Weltwirtschaft und die Erschließung neuer Ölquellen in den USA, haben nicht nur positive Auswirkungen ... auf der anderen Seite wird der Ölpreis "unpolitischer" und unabhängiger von externen Schocks

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“Micropower” weltweit auf dem Vormarsch

Das Forbes Magazine hat verschiedene Datenquellen zur Entwicklung dezentraler Anlagen zur Stromerzeugung („Micropower“) ausgewertet. Sie zeigen einhellig: Micropower ist weltweit auf dem Vormarsch. Bereits rund ein Viertel der globalen Stromversorgung wird durch dezentrale Kleinkraftwerke sichergestellt.

Damit wird deutlich, dass eine Entwicklung in vollem Gange ist, die Branchenkenner, u.a. im Economist, vor 10 Jahren vorausgesagt hatten. Etwas reißerisch als „elektrische Revolution“, aber in der Sache richtig: Der Energiemarkt befindet sich weltweit in einem tiefgreifenden strukturellen Umbruch. Indem neue, bezahlbare und kleine Stromerzeugungseinheiten auf den Markt drängen, wird die zentralisierte Struktur der Energieversorgung aufgebrochen. Die Monopole der großen Kraftwerke bröckeln. Damals erwarteten viele eine Entwicklung, die vergleichbar ist mit den radikalen Marktumbrüchen in der Telekommunikationsbranche in den 80er Jahren.

In der Tat scheinen wir auf einem guten Weg dorthin zu sein. Der technische Fortschritt, politische Förderung und vor allem auch der große Zufluss von Risikokapital haben Kleinkraftwerke in den letzten zehn Jahren markttauglich und zunehmend rentabel gemacht. Der Vorteil von Photovoltaik, Windkraftanlagen, Blockheizkraftwerken etc ist: Sie sind klein, modular, kostengünstig und schnell zu errichten. Also das Gegenteil von Großkraftwerken, deren Errichtung extrem teuer ist und enormen Zeit- und Genehmigungsaufwand erfordert. Künftig kommt Energie immer weniger aus dem Kraftwerk und dafür immer häufiger aus dem eigenen Vorgarten.

Interessant ist, dass es sich um einen weltweiten Trend handelt und verschiedene Indikatoren übereinstimmend darauf hindeuten. So meldet z.B. eine Studie des Rocky Mountain Institute sowie der aktuelle Statusbericht der NGO REN21 große Wachstumsraten bei dezentraler Energieerzeugung in Kapazität und Output auf der ganzen Welt. Der Market-Intelligence-Dienst Bloomberg New Energy Finance beobachtet die weltweiten Investitionen in dezentrale Stromerzeugungstechnik und stellt einen stetigen Wachstumstrend seit 2004 fest.

Auch in Deutschland ist dieser Trend inzwischen anerkannt. Sogar die großen Stromkonzerne scheinen dies mittlerweile einzusehen. So kommt z.B. aktuell eine von RWE beauftragte Studie zu dem Ergebnis, dass schon im Jahr 2018 der mit Hilfe von dezentraler Erzeugung und Speicherung bereitgestellte Strom günstiger sein wird als der Netzstrom heute. Die zunehmende Dezentralisierung werde zudem dazu führen, dass neue Geschäftsmodelle und Kooperationen entstehen und wir Energieversorger „mit ganz anderen Augen sehen“.

Die Zahlen und Prognosen zeigen, dass diese Entwicklung inzwischen eine starke Dynamik gewonnen hat. Das stimmt zuversichtlich im Hinblick auf die Probleme, die auf dem Weg zu einer flächendeckenden Versorgung durch klimafreundliche Micropower noch zu lösen sind. Seien sie rechtlich-politischer Art (wie z.B. die Widerstände der Großerzeuger-Lobby, Subventionspolitik etc.) oder technischer Natur (z.B. die ungelöste Frage, wie volatile Wind- und Solarenergie grundlastfähig gemacht werden kann). Die Dynamik der Marktentwicklung erzeugt einen wichtigen Veränderungsdruck auf alle Beteiligten, für diese Fragen Lösungen zu finden.

Strauchelnde Stromkonzerne sind normal!

Dass Märkte sich nicht linear und in friedlicher Idylle entwickeln, sondern mit Brüchen und Begleitschäden, gehört zum kleinen Einmaleins der Ökonomie. Neue Technologien und Produktionsfaktoren setzen sich durch und verdrängen alte Strukturen, die dadurch zerstört werden. Diese so genannte „schöpferische Zerstörung“ ist kein Fehler im System, sondern zwingend notwendige Begleiterscheinung von Innovationen in Technik und Markt. Warum fällt das im Falle der Energiebranche vielen so schwer, zu akzeptieren?

Die Situation der großen Stromkonzerne spitzt sich weiter zu. Vattenfall denkt laut über einen Rückzug aus Deutschland nach, EnBW meldet einen massiven Gewinneinbruch. Die traditionellen Geschäftsmodelle der großen Versorger “tragen nicht mehr”, hatte EnBW-Chef Frank Mastiaux im Juni gesagt. Ähnlich äußerte sich auch RWE-Chef Peter Terium auf der letzten Bilanzpressekonferenz und erwartet einen dramatischen Gewinnrückgang. Tatsache ist: Dezentrale Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft ist erschwinglich geworden und breitet sich deshalb immer mehr aus. Das stellt das alte, zentralistische Geschäftsmodell der Konzerne grundsätzlich in Frage.

Dass die Konzerne lautstark darüber lamentieren und alles versuchen, um diesen Prozess zu stoppen, ist verständlich. Wir sollten uns davon und von den kleinteiligen, durch Konzern-Lobbyismus geprägten politischen Debatten um EEG-Umlagen, Ausnahmeregelungen etc. jedoch nicht einnebeln lassen. Stattdessen sollten wir es als das sehen, was es ist: Symptom eines völlig normalen wirtschaftlichen Prozesses – schöpferische Zerstörung.

Eine Abwandlung dieser Idee hat der US-amerikanische Ökonom Clayton Christensen in seinem Buch „The Innovators Dilemma“ formuliert: Er spricht von „disruptiven Technologien“, die den Markt aufmischen und letztendlich neu ordnen. Eine disruptive Technologie ist eine Innovation, die geeignet ist, eine bestehende Technologie und bestehende Marktstrukturen möglicherweise vollständig zu verdrängen. Anschauliches Beispiel ist das Aufkommen der Digitalfotografie, das analoge Fotografie praktisch völlig verdrängt hat. Disruptive Technologien entstehen in der Regel in abgelegenen Nischen des Marktes und vor allem ohne dass die etablierten Anbieter dies erwarten. Als Nischenprodukte mit kleinem Marktvolumen sind sie für die Platzhirsche zunächst nicht interessant. Sobald sie jedoch technisch ausgereift sind, verzeichnen sie ein extremes Wachstum, und sind dadurch in der Lage, vorhandene Märkte komplett oder teilweise zu verdrängen.

Genau das geschieht derzeit auf dem Elektrizitätsmarkt: Die erneuerbaren Energien und dezentralen Erzeugungstechnologien waren zunächst etwas für „Ökos“ und Enthusiasten. Klein und margenschwach mussten sie zu Beginn durch Subventionen gestützt werden. Inzwischen aber sind sie technisch deutlich weiterentwickelt, und vor allem sehr viel billiger und damit erschwinglich geworden. Gleichzeitig – und befeuert durch die sinkenden Kosten – steigt die Nachfrage extrem an.

Es spricht also einiges dafür, dass sich der Energiemarkt in einer disruptiven Phase befindet. In anglo-amerikanischen Medien wird dies inzwischen zunehmend so gesehen, wie z.B. Artikel im Forbes-Magazine oder dem Energy Law Journal zeigen. Hierzulande hat kürzlich der Blog Phasenprüfer diese Auffassung vertreten. Auch der Befund der Investmentbank UBS in Ihrer am 20. August veröffentlichten Branchenstudie geht eindeutig in diese Richtung: „Power is no longer something that is exclusively produced by huge, centralised units owned by large utilities.“ und weiter: „Large-scale power generation, however, will be the dinosaur of the future energy system: Too big, too inflexible, not even relevant for backup power in the long run.“

In der öffentlichen Debatte wird dies jedoch bisher kaum in dieser Deutlichkeit ausgesprochen. Sie ist geprägt von kleinteiligen Scharmützeln um Detailfragen und den Kampf der Konzerne um Ihre Erbhöfe. Dabei wäre die Betrachtung des Themas in einem größeren wirtschaftlichen Zusammenhang einem Großprojekt wie der Energiewende angemessen. Und ehrlicher wäre es auch.

Widerstand gegen EEG-Umlage auf Eigenstrom

Gegen die geplante Belastung von Eigenstrom-Produzenten mit der EEG-Umlage formiert sich Widerstand: In einem gemeinsamen Positionspapier fordern fünf Energieefizienz-Verbände, die geplante Belastung abzumildern.

Nach den Plänen der Bundesreglierung soll künftig für Strom zum Eigenverbrauch aus dezentralen Blockheizkraftwerken EEG-Umlage fällig werden. Und zwar selbst dann, wenn der dort erzeugte Strom gar nicht ins Netz eigespeist, sondern ausschließlich vor Ort verbraucht wird. Was wir von dieser Idee halten, haben wir bereits in diesem Blog-Beitrag deutlich gemacht.

Verständlicherweise wehrt sich die gesamte Energieeffizienz-Branche gegen dieses Vorhaben. Dezentrale Stromversorgung mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologie ist ein unverzichtbarer Baustein zur Energiewende. Nicht nur weil sie äußerst effizient und ressourcenschonend ist, sondern auch, weil sie schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ausgleichen kann.

Ihr Erfolg beruht darauf, dass sie wirtschaftlich ist, d.h. dass sie sich für ihre Betreiber rechnet. Dieser Anreiz wird mit einer Belastung durch die EEG-Umlage stark verringert. Investitionen in kleinere KWK-Anlage würden dadurch unattraktiv. Der Ausbau dieser wichtigen Technologie wäre massiv gefährdet.

EGC unterstützt daher die Kampagne der Verbände gegen eine Belastung von Eigenstromproduzenten mit der EEG-Umlage. Die Pressemitteilung der Verbände finden Sie hier, das Positionspapier können Sie hier herunterladen.