Eigenstromversorgung: Bundesregierung will weniger Marktwirtschaft

Die Bundesregierung will eine Abgabe für Fahrradfahrer einführen, weil sie den öffentlichen Personnennahverkehr nicht nutzen. Mit dem Geld soll ein Steigen der Fahrscheinpreise für die Nutzer des ÖPNV abgemildert werden. Berechnungsgrundlage für die Abgabe ist jeder ohne ÖPNV zurückgelegte Kilometer. Geplant ist außerdem eine Abgabe für selbst gebackenes Brot und im Garten angebautes Gemüse zugunsten von Bäckern und Gemüsehändlern. 

Was in diesen Beispielen grotesk klingt, ist für Eigenstromerzeuger bald Wirklichkeit: Die Regierung will den “Eigenverbrauch” von Strom mit der EEG-Umlage belegen. Wer z.B. seinen Strom mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder einem Blockheizkraftwerk im Keller selbst produziert, muss dann pro KWh Strom 70 Prozent des EEG-Umlagesatzes zahlen.

Man muss sich vergegenwärtigen, was das im Ergebnis bedeutet: Wer eine Leistung (im „öffentlichen“ Netz bereitgestellter Strom) nicht bezieht, weil er sie selbst produziert, soll de facto trotzdem dafür zahlen. Und zwar mit der Begründung, dass diese Leistung sonst für die anderen zu teuer wird. Oder anders formuliert: Wer sich aus einem System ausklinkt, das für ihn wirtschaftlich keinen Sinn macht, muss dafür den anderen Systemnutzern einen Ausgleich zahlen.

Das stellt die Gesetze der Marktwirtschaft auf den Kopf. Von der Frage, ob diese Art von kaum verstecktem Kontrahierungszwang mit der Verfassung vereinbar ist, ganz zu schweigen. In einer Marktwirtschaft wäre es genau umgekehrt: Die Anbieter des Guts, dessen Nachfrage sinkt, würden sich fragen, woran das liegt. Und sie würden versuchen, ihre Leistung attraktiver, d.h. billiger zu machen, indem sie sie anders organisieren. Ist etwa die Telekom mit einer Umlage gestützt worden, als wir angefangen haben, Mobil- statt Festnetztelefone zu benutzen? Nein! Sie hat sich angepasst und die Tarife wurden flexibler und günstiger – in der gesamten Branche!

Auch vor dem Hintergrund der Ziele des EEG ist diese Umlage völlig inkonsequent. So heißt es in § 1 EEG wörtlich: “Zweck dieses Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.“ Mit anderen Worten: Nachhaltige Energien sollen solange gefördert werden, bis sie wirtschaftlich, d.h. marktfähig sind.

Und genau das ist in vielen Bereichen bereits gelungen. Gezielte Förderung und Preisverfall haben dazu geführt, dass besonders effiziente oder grüne Energieerzeugungstechnologien wettbewerbsfähig und wirtschaftlich sind. Die starke Nachfrage nach dezentraler Energieerzeugung (z.B. Blockheizkraftwerken oder Photovoltaikanlagen) ist ja gerade ein Beleg dafür. Jeder kann sich inzwischen selbst mit Energie versorgen – weil es wirtschaftlich ist!

Statt diese sinnvolle Entwicklung zu fördern, und den längst überfälligen Systemwechsel voranzutreiben, hält man an den schwerfälligen Strukturen einer zentralistischen Energieversorgung der alten Welt fest. Die dezentrale und effiziente Stromversorgung für Privathaushalte, Großimmobilien und mittelständische Industrie wird damit wieder unrentabel, die Erfolge der Energiewende über Bord geworfen. Und die Prinzipien der Marktwirtschaft als sinnvolle Steuerungsmechanismen und Leitlinien politischen Handelns gleich mit.

Was aber sind die Leitlinien, die die Politik derart unbeirrt am schwerfälligen zentralistischen Versorgungssystem festhalten lässt? Geht es am Ende um Steuereinnahmen – für fremdbezogenen Strom wird schließlich Mehrwehrt- und Stromsteuer fällig, für Eigenverbrauch nicht? Vielleicht zu banal. Ist es Einknicken vor der mächtigen Lobby der Energiekonzerne? Das wäre als Erklärung zu einfach. Geht es darum, die Bürger/Verbraucher besser kontrollieren zu können – ein Interesse, das der Staat mit den großen Versorgungskonzernen teilt? Vielleicht ein wenig paranoid. Allerdings: Wer solche Mutmaßungen von vornherein als irrational abtut, sollte bedenken: Die Energiepolitik ist dies auch!

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