Sigmar Gabriel und das doppelte Braunkohle-Paradoxon

Dass die aktuelle Energiepolitik voller Widersprüche ist, ist keine neue oder originelle Erkenntnis. Beim Thema Braunkohle sind diese Widersprüche jedoch so haarsträubend, dass auch wir sie hier noch einmal aufgreifen wollen. Allerdings nicht ohne einen positiven Ausblick zu geben: Denn wenn einer wissen muss, wie man diese Widersprüche auflösen kann, dann Sigmar Gabriel reloaded.

Das erste Paradoxon: Die Energiewende, die uns zu einer nachhaltigen, klimaschonenden Energieversorgung führen soll, erzeugt einen Boom der schmutzigsten aller Stromarten: des Braunkohle-Stroms. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland soviel Braunkohle in Kraftwerken verbrannt wie seit 1990 nicht mehr. Damals wurde nahezu der gesamte Osten der neuen gesamtdeutschen Republik noch mit Strom aus DDR-Braunkohlekraftwerken versorgt. Die Folge ist: Trotz massiven Ausbaus von Solar- und Windenergie steigen derzeit die CO2-Emissionen.

Das zweite Paradoxon: Der Braunkohletagebau ist in erheblichem Umfang von der EEG-Umlage befreit. Ganze 67,7 Mio. Euro EEG-Umlage konnte die Branche aufgrund von Befreiungstatbeständen im Jahr 2013 einsparen. Das wussten Sie nicht? Konnten Sie auch nicht wissen. Diese Zahlen wurden von der alten Bundesregierung als “Betriebsgeheimnisse” behandelt und nicht bekanntgegeben. Erst eine parlamentarische Anfrage des Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer von den Grünen brachte sie kürzlich ans Licht, wie die Deutsche Umwelthilfe in einer Pressemitteilung berichtet.

Dass ausgerechnet die schmutzige (und im Augenblick für die Kraftwerksbetreiber äußerst profitable) Braunkohle von einer Umlage befreit ist, die den Ausbau der erneuerbaren und klimaschonenden Energien finanzieren soll, ist mehr als erstaunlich. Zumal die “internationale Wettbewerbsfähigkeit” –  das beliebte Totschlagargument für eine Befreiung – hier nicht in Rede steht. In Deutschland wird Braunkohle nur zur Stromerzeugung in deutschen Kraftwerken gefördert. Und die stehen meist in unmittelbarer Nähe des Tagebaus. Wenn eine Branche nicht im internationalen Wettbewerb steht, dann also die Braunkohle.

Aber nun zu etwas Positivem: Mit Sigmar Gabriel ist jetzt genau der Mann Wirtschafts- und Energieminister, der wissen muss, wie man diese Widersprüche auflöst. Denn in seiner Amtszeit als Umweltminister in der vorletzten Legislaturperiode wurde der Grundstein gelegt für die Subvention grünen Stroms und das System der EEG-Umlage. Also genau die Systeme, die jetzt außer Kontrolle geraten sind, sich gegenseitig hochschaukeln und so vollkommen paradoxe und für die Energiewende schädliche Ergebnisse erzielen. Das sollten wir im Hinterkopf haben, wenn Gabriel uns jetzt verspricht, die Kosten der Energiewende in den Griff zu kriegen. Denn er ist nicht nur der mögliche Retter, als der er sich jetzt geriert, sondern eben auch einer der maßgeblichen Verursacher dieser Fehlentwicklung. Hoffen wir also, dass Sigmar Gabriel aus seinen Fehlern lernt und seine zweite Chance nutzt, um diese Fehlentwicklungen zu korrigieren – ohne sich von Lobbygruppen zerreißen zu lassen. Aber keine Sorge, diesbezüglich kann man unseren Politikern ruhig vertrauen.

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