Strom vom Telefonanbieter? Die Zukunft gehört der Elektrokom-Branche!

Die großen Energieversorger suchen nach Ihrer Rolle in einem sich dramatisch wandelnden Markt. Michael Liebreich von Bloomberg Energy Finance hat eine Idee: Energieversorger und Telekom-Unternehmen sollten sich zusammentun.


„A horrible place to be in“ – so nennt der Liebreich in einem Interview die aktuelle Position der großen Energieversorgungsunternehmen. Das stimmt. Gerade in Deutschland wie auch in vielen anderen westlichen Ländern befindet sich der Energiemarkt im Umbruch. Der Trend geht weg von zentralen Groß-Versorgern hin zu neuen, dezentralen Versorgungs-Einheiten. Mit der bloßen Energieerzeugung aus zentralen Großkraftwerken lässt sich deshalb nicht mehr das große Geld verdienen. Schon jetzt gibt es Überkapazitäten am Strommarkt, so dass der Börsenstrompreis dramatisch sinkt. Mit der Zunahme dezentraler (und erneuerbarer) Energieversorgung wird sich dieser Trend noch verstärken.

Entsprechend befinden sich die großen Energieversorger in einer tiefgreifenden Krise. Sie haben das inzwischen auch erkannt und versuchen mehr oder weniger händeringend, sich neu zu erfinden. Zumindest in Deutschland haben sämtliche großen Vier Strategiewechsel angekündigt und dabei – man höre und staune – den Kunden in den Mittelpunkt gestellt. Am deutlichsten hat dies Eon getan. Das Unternehmen hat dazu einen ganzen Geschäftsteil abgespalten, in dem kundenorientierte Dienstleistungen künftig das Hauptgeschäft ausmachen sollen.   

In diese Richtung denkt auch Liebreich. Denn nur dort – an der Schnittstelle zum Kunden – so prophezeit er, liegt das margenträchtige Geschäft, und dort werden auch Innovationen stattfinden. Angesichts stagnierender oder sogar rückläufiger Nachfrage gilt: Nur wer auf Kundenseite intelligente Konzepte und Dienstleistungen anbietet, etwa im Hinblick auf Beschaffung und Verbrauchsmanagement oder die Installation, Wartung etc. der damit verbundenen Systeme, wird auch künftig Geld verdienen. 

Solche kundenbezogenen Dienstleistungen haben allerdings einen fundamental anderen Charakter als die eines Energieerzeugers. Sie sind serviceorientiert und kommunikationsgetrieben – und ähneln damit stark denen von heutigen Telekommunikationsunternehmen, Auch im Hinblick auf die Markt- und die technische Entwicklung gibt es Parallelen: So hat der Telekommunikationsmarkt ebenfalls einen grundlegenden Strukturwandel hinter sich – von einer monopolistischen Struktur mit einem staatlichen Fernmeldebetrieb hin zum Wettbewerb mit einer Vielzahl von innovationsgetriebenen Dienstleistern. Gleichzeitig wird auch hier eine überkommene, eher zentralistisch organisierte Technik – das Festnetz – zunehmend verdrängt durch den flexibleren Mobilfunk.

Deshalb prophezeit Liebreich, dass schon bald der erste Energieerzeuger mit einem Telekom-Unternehmen fusionieren wird, um sich das entsprechende Know-how zu sichern. Um auch davon zu profitieren, hat sich Liebreich – zumindest für die englischsprachige Welt – schon mal vorsichtshalber ein paar Internet-Domains gesichert (Telectro.com, electrocom.com). Seine Absicherung für den Ruhestand, wie er sagt. Wir finden die Idee sehr plausibel und denken schnell mal über ein paar deutsche Domain-Namen nach – die wir aber natürlich hier im Blog nicht verraten!

Sonnenfinsternis: Netz-Stresstest zum Frühlingsanfang

Der 20. März 2015 ist nicht nur für Astronomen ein besonderes Datum. Die Sonnenfinsternis bedeutet auch einen Stresstest für die Stromversorgung in Deutschland.

Am 20 März zwischen 9.30 Uhr und 12.00 Uhr wird es schattig in Deutschland. Der Mond wird sich vor die Sonne schieben und ihren Schein verdunkeln. Am dunkelsten wird es gegen 10.30 Uhr. Dann sind je nach Standort in Deutschland zwischen 70 und 80 Prozent der Sonne verdeckt. Astronomen und andere Himmelsbeobachter freut das – manch ein Energieverbraucher ist in Sorge: Droht uns am Vormittag ein Stromausfall?

Tatsächlich ist der Anteil des durch Photovoltaik erzeugten Stroms in Deutschland mit 7 Prozent beträchtlich. Der von manchen befürchtete „Blackout“ dürfte allerdings ausbleiben: Mit der Leistung von Pumpspeicher- und Gaskraftwerken, sowie notfalls importiertem (Atom-)Strom aus Nachbarländern lassen sich die Schwankungen wohl ausgleichen. Trotzdem bedeutet die Sonnenfinsternis vor allem für das Stromnetz einen echten Stresstest – besonders bei gutem Wetter. 

 (OPower)

(Quelle: vox.com)

Denn bei klarem Himmel wird das eingespeiste Solarstrom-Volumen innerhalb sehr kurzer Zeit extrem schwanken, wie die auf der Seite vox.com veröffentlichte Grafik zeigt. Laut einer Studie der HTW Berlin ist dann mit einem plötzlichen Rückgang der Solarstrom-Einspeisung zu Beginn der Sonnenfinsternis um bis zu 12.000 Megawatt zu rechnen. Nach deren Ende würde die Einspeisung abrupt sogar um rund 19.000 Megawatt steigen, denn mittags steht die Sonne höher und liefert entsprechend mehr Energie. Zum Vergleich: Die Regelenergie, also die Reserve, die die Netzbetreiber in Deutschland an normalen Tagen vorhalten müssen, um Netzschwankungen auszugleichen, beträgt nur 3.500 Megawatt. Die Netzbetreiber hoffen deshalb auf schlechtes Wetter. Denn ist es bewölkt, dürfte die Sonnenfinsternis kaum ins Gewicht fallen.

In der Geschichte wurde eine Sonnenfinsternis häufig als himmlisches Zeichen gedeutet. Auch wenn, oder gerade weil wir inzwischen aufgeklärte Mitteleuropäer sind, sollten wir das durchaus auch in diesem Fall tun. Denn dieser Gratis-Stresstest der Natur zeigt uns deutlich, worauf es beim Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung dringend ankommt: auf Netzausbau, intelligente Verbrauchssteuerung, Redundanzen und Fortschritte bei der Speichertechnologie. Übrigens wird die Sonnenfinsternis in Berlin gut zu sehen sein. Auch über dem Ministerium für Wirtschaft und Energie.

Bauernschlau: Kleinkraftwerk auf 2.500 m Höhe

Wer wissen will, wie die Zukunft der Energieversorgung aussieht, muss Bergwandern gehen. Hoch in den Alpen, weitab von den Metropolen und Ballungsgebieten, betreiben fortschrittliche Bergbauern modernste dezentrale Kleinkraftwerke.

Alpines Kleinkraftwerk, ca. 2.500 Meter über N.N.

Dieses solarbetriebene Weidezaungerät repräsentiert nichts weniger als das Modell für die Energieversorgung der Zukunft: Ein dezentrales Kleinkraftwerk, gespeist aus erneuerbarer Energie, mit dezentralem Stromspeicher und einem lokalen (Weidezaun-)Netz als „Microgrid“. Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch finden am selben Ort statt. Das ist effizient, flexibel und macht unabhängig. 

Die Bergbauern haben es eben immer schon gewusst: Die Zukunft ist dezentral. Ein wenig mehr Bauernschläue auf Seiten der Stromkonzerne und in der Energiepolitik würde uns hier im Flachland sicher nicht schaden.

An ihren Prognosen sollt ihr sie messen

Wie immer zum Jahresanfang mangelt es nicht an Prognosen, was das “Energiejahr 2014” wohl bringen wird. Dann geht das Jahr ins Land und niemand prüft nach, ob sie denn auch gestimmt haben. Wir schon: Heute stellen wir exemplarisch zwei interessante Prognosen vor, und in einem Jahr prüfen wir, ob sie eingetreten sind. Versprochen!

Der Energiejournalist Jakob Schland hat im Blog Phasenprüfer fünf Vorhersagen zur deutschen Energiepolitik 2014 veröffentlicht: 1. Sigmar Gabriel wird seine EEG-Reform weitgehend unverändert durchsetzen. 2. Europa zerstreitet sich heillos über den Klimaschutz. 3. Die Krise der Solarwirtschaft wird sich auf die gesamte Öko-Energiebranche ausweiten, also auch auf Windkraft, Biomasse, Forschung, die Beraterbranche etc. 4. Andere Zukunftsthemen wie etwa die Speichertechnologie oder Eigenstromerzeugung werden kaum vorankommen. Denn der Markt für Eigenstromerzeugung ist durch die EEG-Umlage praktisch tot. 

Als fünfte Vorhersage prohezeit Schland schließlich noch eine “große Unbekannte”. So wie es in den vergangenen Jahren regelmäßig eine Überraschung gegeben hat, die niemand auf dem Zettel hatte (der EEG-Schock, Fukushima, der Ausgang der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2012 etc.), wird es auch dieses Jahr wieder ein unvorhergesehenes Ereignis geben. Vielleicht ein Blackout oder – mit etwas Optimismus – vielleicht doch eine unerwartete Einigung der EU auf eine gemeinsame Energiepolitik?

Eine globale Perspektive nimmt Michael Liebreich, CEO von Bloomberg Energy Finance, ein. Er prophezeit für 2014 “a year of cracking ice”. Das Bild drückt aus, dass sich seiner Einschätzung nach über die letzten Jahre auf dem Energiesektor ein enormer Veränderungsdruck aufgebaut hat, der sich bald entladen wird. 2014 sieht er das Eis bersten.

Als Beispiele nennt er die Angleichung der Produktionskosten für Solar- und Windenergie an konventionell erzeugte Energie, die steigende Flexibilität der Stromnetze und den Einfluss der Erneuerbaren Energien auf den Strompreis. Auch die zunehmende Aufgeschlossenheit der Verbraucher gegenüber neuen Technologien wie Elektro-Autos oder etwa dem Nest Thermostat in den USA spielt eine Rolle. Gleichzeitig dämmere den Energieanbietern, dass diese Entwicklung ihr bisheriges Geschäftsmodell existenziell in Frage stellt. Und Investoren fingen an, sich Sorgen um Ihre Investments in fossile Brennstoffe zu machen, worüber wir auch in diesem Blog schon an anderer Stelle berichtet haben.  

Ob das stimmt? Die nächsten Monate werden es zeigen. Das Blogheizkraftwerk beobachtet weiter die Wirklichkeit und sagt ihnen im Dezember, ob das Eis tatsächlich geborsten ist und Gabriel sich durchgesetzt hat. Wir sind gespannt.