Smart Meter: Datenfutter für die Strom-Spekulanten?

Smart Meter werden uns hauptsächlich als Energiespar-Hilfe für Verbraucher und Garant für Netzstabilität verkauft. Zu den Nutznießer gehören aber zumindest auch andere: Hochleistungsrechner, die an der Strombörse automatisierte Kaufentscheidungen fällen.

Das Thema Smart-Meter ist in der energiepolitischen Debatte so virulent wie umstritten. Die Fronten und Argumente scheinen klar: Die Industrie fordert ihn als wichtiges Instrument für Strom- und CO2-Einsparungen und unverzichtbaren Garant für mehr Netzstabilität. Verbraucher- und Datenschützer hingegen rechnen vor, dass er sich für Stromkunden nicht rentiert und warnen vor dem gläsernen Verbraucher“.

Unabhängig davon, wie man diese weitgehend aus der Verbraucher- bzw. Netzperspektive geführte Debatte bewertet: Es gibt noch eine dritte Perspektive, die interessant ist und wichtige Hintergründe erhellt: Die Marktperspektive.

Der Strommarkt als Automaten-Kasino?

Die Frage ist: Wie wird sich der Markt durch die geplante Einführung von Smart Metern entwickeln? Oder andersherum gefragt: Wie sieht der Markt aus, der die Einführung von Smart-Metern fordert bzw. dem sie nutzt? Eine aufschlussreiche Analyse dieser Frage schildert der kürzlich erschienene Artikel „Der künftige Strom-Markt – ein Automaten-Casino? des Netzkultur-Magazins TELEPOLIS.

Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass der Strommarkt im Grunde aus zwei Märkten besteht, einem Realen und einem Virtuellen. Real sind die Vielzahl von Erzeugern, die Strom in das Netz einspeisen, und die Verbraucher, die ihn beziehen. Dazwischengeschaltet ist der Händlermarkt. Dieser findet gleichsam virtuell statt. Dort werden Strompakete in Form von „Zeitkontrakten“ gehandelt.

Highspeed-Trading an der Strombörse

Dieser Handel wird immer schneller und komplexer. Bis vor wenigen Jahren wurden als kürzeste Einheit noch Ein-Stunden-Kontrakte gehandelt. Seit vier Jahren gibt es 15-Minuten-Kontrakte, in naher Zukunft sollen voraussichtlich 5-Minuten-Kontrakte handelbar sein, um die kurzfristigen Angebotsschwankungen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien berücksichtigen zu können.

Man sieht deutlich, wo die Entwicklung hingeht: Auf dem Händlermarkt müssen immer mehr Geschäfte in immer kürzerer Zeit abgewickelt werden. Dies lässt sich zunehmend nur noch durch automatisierte Verfahren bewältigen, in denen ein Algorithmus nach bestimmten Parametern Kaufentscheidungen fällt.

Gratis-Futter für den Logarithmus

Vor dem Hintergrund dieses automatisierten „Hochgeschwindigkeitshandels“ ist die Forderung nach einer Einführung von Smart Metern vollkommen logisch: Der Algorithmus fällt Kaufentscheidungen auf der Grundlage von Marktprognosen. Dafür benötigt er möglichst präzise und aktuelle Informationen über Verbräuche und Verbrauchsmuster, sog. Lastprofile. Was liegt also näher, als wenn jeder Haushalts-Stromkunde alle nötigen Daten übermittelt (und nebenbei die dafür nötige Infrastruktur bezahlt)?

Für die Stromhändler ist das eine gute Sache. Es macht Strom als Handelsgut äußerst liquide und beschleunigt den Handel enorm. Die Lehren aus der Finanzkrise machen allerdings deutlich, welche Risiken hier schlummern. Damit dies wirklich auch den Verbrauchern und nicht nur den Händlern nützt, ist eine effektive Aufsicht und Regulierung nötig. Von der Gefahr von Marktmissbrauch und Risiken für die Versorgungssicherheit ganz zu schweigen.

Für eine transparente Debatte zur Einführung von Smart Metern wäre es gut, wenn diese Perspektive eine stärkere Rolle spielen würden.

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