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Verbraucht Strom, sonst kommt uns die Energiewende teuer!

Mehr grüne Energie erzeugen und insgesamt weniger Energie verbrauchen – dann klappt es mit der Energiewende. So zumindest die Theorie. Aber geht sie auch auf? In der Praxis gilt nämlich: Wer brav Energie spart, macht die Energiewende teurer, wie Fabian Reetz von der Stiftung Neue Verantwortung in einem lesenswerten wenn auch provokanten Beitrag für die ZEIT schreibt.

Ein Drittel des Stroms in Deutschland wird inzwischen aus erneuerbaren Energien gewonnen. Deren Ausbau kostet Geld: Bisher haben die Investitionen in die Energiewende die Verbraucher 40 Milliarden Euro gekostet. Bei der Finanzierung dieser Kosten macht es sich der Staat leicht: Er erhebt pauschal eine Umlage (EEE-Umlage) auf die verbrauchte Kilowattstunde. Das heißt: Je mehr Strom verbraucht wird, desto mehr Geld steht für die Finanzierung der Energiewende zur Verfügung. Das führt zu der paradoxen Situation, dass wir uns Stromsparen also eigentlich nicht leisten können. Würden die Verbraucher damit ernst machen, bekäme die Energiewende ein Finanzierungsproblem.

Die zweite Frage, die der Beitrag von Fabian Reetz zurecht stellt ist: Passt Stromsparen überhaupt zu den Erfordernissen der Energiewende? Denn die erneuerbaren Energien führen dazu, dass zu bestimmten Zeiten zu viel Strom im Netz ist, wenn beispielsweise die Sonne scheint oder der Wind stark weht, und zu gewissen Zeiten zu wenig.

Mangelnde Flexibilität

Die Lösung wäre ein flexibles Stromnetz und ein entsprechender Markt. Beides verhindert jedoch derzeit noch der Staat. Er legt den Ausbaukorridor für die Erneuerbaren Energien und den Netzausbau fest und geht dabei davon aus, dass die Verbraucher eine konstante Stromversorgung rund um die Uhr wollen. Denn genau diese garantierte Stromsicherheit ist das, was die Stromkosten derart in die Höhe treiben: So zahlt z.B. ein Haushalt in Deutschland bei einer Stromrechnung von 1.100 € pro Jahr mehr als 850 € für Steuern, Abgaben und Entgelte, und nur 250 € entfallen auf den Strommarkt.

Ob die Verbraucher das wirklich wollen (zumal zu diesen Kosten), darf bezweifelt werden. Für den durchschnittlichen Stromabnehmer wäre eine kurzfristige Stromunterbrechung vermutlich akzeptabel, wenn dadurch der Strompreis sinken würde. Denn ein liberaler Strommarkt, der flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren kann, führt zu günstigeren Strompreisen für den Verbraucher. Strom würde immer dann gekauft, wenn gerade viel zur Verfügung steht.

Digitalisierung ermöglicht flexible Versorgungsmodelle

Es stimmt: Strom würde dadurch zwar günstiger, der Markt aber auch sehr viel unübersichtlicher. Hier aber können digitale Anwendungen helfen den Überblick zu behalten und eine zunehmend automatisierte und individuelle Stromnutzung ermöglichen. Die Technik ist hier schon sehr weit (Smart Meter usw.). Der Markt und die staatlichen Akteure sind es hingegen nicht. Für fortschrittliche  Unternehmen und Start-ups  gibt es kaum Anreize, neue Geschäftsmodelle und Produkte zu entwickeln, die Energie einsparen oder Strom effizienter verteilen. Bisher profitiert die Energiewende kaum von den digitalen Möglichkeiten, obwohl innovative Technologien immer ein entscheidender Aspekt für wirtschaftliches Wachstum und ein Erfolgsfaktor für Umweltschutz waren. Intelligente Stromnetze (Smart Grids) und digitale Anwendungen wie Big Data und Blockchain haben großes Potenzial und eröffnen den Verbrauchern neue Möglichkeiten.

Der Staat sollte sich in seiner Steuerungsrolle dabei stärker zurücknehmen. Denn bisher ist die staatliche Bevormundung bei der Energiewende das größte Hemmnis für mehr Innovation und Effizienz. Um den Energiemarkt digitaler, flexibler und letztendlich günstiger zu machen, sind daher umfangreiche Reformen mehr als notwendig.

Die Energiewende: Zu teuer, kein Vorbild oder große Chance?

An der Umsetzung der Energiewende entzündet sich immer wieder Kritik – vor allem an den Kosten. Im Silicon Valley hält man das für kleinlich. Drei Sichtweisen auf eine Energiewelt im Umbruch.

Kein Überblick über die Kosten, keine ausreichende Definition der Ziele und keine gute Koordinierung des gesamten Projekts – die Regierung schlampt bei der Energiewende. So lautet das vernichtende Fazit einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof, über die die FAZ berichtete. Die Behörde fordert das Bundeswirtschaftsministerium dazu auf, die Energiewende besser zu strukturieren und die jährlich zur Verfügung stehenden 3 Milliarden Euro zielgerichteter und effizienter einzusetzen.

Zu teuer und kein Vorbild

Eine Studie des „Weltenergierats“, über die die schweizerische NZZ berichtete, stellt der deutschen Energiewende ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus: Sie sei kein Vorbild für andere Länder, meint die große Mehrheit der Befragten. Sie verursache nur Kosten und sei nicht in die Strukturen der Nachbarländer zu integrieren. In jedem dritten Land außerhalb Europas nehme man sie nicht einmal wahr. Man muss dazusagen: Zu den Mitgliedern des Weltenergierats zählt eine ganze Reihe von Verbänden und Unternehmen aus der Gas- und Ölindustrie sowie diverse große Energieversorger.

Revolutionär wie das Internet

Im Silicon Valley dagegen, herrscht eine völlig andere, geradezu euphorische Sichtweise vor: Das dort ansässige Startup-Portal techcrunch.com sieht in den aktuellen Umbrüchen des Energiemarkts gigantische wirtschaftliche Chancen, vergleichbar mit der letzten technologischen Revolution, dem Internet. Das „Enernet“, d.h. die Struktur aus kleinen, innovativen, dezentralen Technologien, die das zentralistische Modell aus großen, schwerfälligen Versorgungsunternehmen ablösen wird, werde unser Leben dramatisch verbessern. Die Frage nach den Kosten, Sorgen und Zweifel werden weggewischt. „Wir schauen ja auch nicht auf  die Entwicklung des Internet zurück und sagen: Wow, das ging langsam voran und hat eine Menge Geld gekostet. Wären wir besser mal bei Schreibmaschine und Festnetz-Telefon geblieben“, so der Autor.

Eine Frage der Perspektive

Diese Schlaglichter zeigen: Die Bewertung hängt eben ganz entscheidend von der Perspektive ab: Je nachdem, ob man das Thema aus dem fiskalisch-prüfenden Blickwinkel des Bundesrechnungshofes, der Betroffenen-Sichtweise von von Öl und Gas-Lobbyorganisationen oder durch die Nerd-Brille eines Startup-Unternehmers betrachtet. Alle drei Sichtweisen sind nachvollziehbar und haben durchaus ihre Berechtigung. Keine dieser Sichtweisen allein reicht aus, um dem Thema gerecht zu werden. 

Umbrüche sind selten effizient

Wie alle disruptiven Marktveränderungen wird auch die Energiewende nicht völlig kontrolliert und effizient ablaufen. Sie wird vermeidbare Kosten verursachen (zum Leidwesen des Bundesrechnungshofs) und Kapital und alte Pfründe vernichten (zum Leidwesen von Öl- und Gasunternehmen). Sicher wird auch nicht jede Zukunftsvision von Silicon Valley-Pionieren wahr werden. Aber dass die Idee und Ihre Umsetzung eine enorme Kraft entfaltet hat, die weit über Deutschland hinausgeht, ist unbestreitbar. Das zeigen alle drei Perspektiven.

Bloomberg New Energy Finance interessiert sich für sein Geschwätz von gestern – jedes Jahr!

Der Dezember ist die Zeit der Rückblicke und Ausblicke: Energieexperten oder Menschen, die sich dafür halten, ziehen Bilanz oder sagen voraus, was das Energiejahr 2017 bringen wird. Der Think Tank Bloomberg New Energy Finance (BNEF) geht einen anderen Weg und fragt sich: Stimmt eigentlich, was wir letztes Jahr (2015) für das zu Ende gehende Jahr 2016 vorhergesagt haben?

Jahresprognosen sind dankbar: Liegt man richtig, kann man sagen: Ich hab’s gewusst. Liegt man daneben, war es eben ein Fehler, wenn es überhaupt auffällt. In der Regel wird es vergessen. Insofern muss man Michael Liebreich (Gründer und Chairman des Advisory Boards) von Bloomberg New Energy Finance Respekt zollen: Bereits seit mehreren Jahren veröffentlicht er umfangreiche Prognosen zum Energiemarkt, die er nach Ablauf des Jahres erneut unter die Lupe nimmt. Und zwar ohne dabei an Selbstkritik zu sparen.

So stellt er sich in seiner aktuellen Selbstüberprüfung ein mittelmäßiges Zeugnis aus: Gerade einmal 63 Prozent seiner Vorhersagen für 2016 haben sich demzufolge bewahrheitet. Das ist deutlich schlechter als 2015, als er sich noch eine Trefferquote von 77 Prozent attestiert hatte.

Insbesondere bei den Investitionen in sauberere Energien sowie den Preisen für Gas und im Emissionshandel lagen die Prognosen teilweise weit von den tatsächlichen Entwicklungen entfernt; die Zunahme von Grid Storage sowie die Preisentwicklung bei den fossilen Brennstoffen wurden hingegen relativ präzise vorhergesagt.

Die Punkte im Einzelnen:

  • Die weltweiten Investitionen in saubere Energien haben entgegen der Voraussagen 2016 keinen neuen Höchststand erreicht. Im Gegenteil: Die Zahlen werden voraussichtlich um 15-20 Prozent niedriger liegen als noch 2015. Vor allem die Entwicklung in China wurde überschätzt.
  • Richtig lag Bloomberg New Energy Finance hingegen, was die Preise für fossile Brennstoffe angeht; diese lagen zu Beginn des Jahres am Boden, haben sich zum Jahresende jedoch wieder erholt.
  • Im Wesentlichen als zutreffend haben sich die Einschätzungen zur Entwicklung der Photovoltaik erwiesen. Die installierte Leistung ist im Jahr 2016 weltweit um 70 Gigawatt angestiegen und hat damit wie erwartet die Windenergieanlagen überflügelt. Dort lag der Zuwachs lediglich bei 59 Gigawatt. Der Rückgang auf dem chinesischen Markt wurde allerdings nicht vorhergesehen.
  • Überschätzt hat das Institut die steigende Bedeutung der Windkraft; dies gilt insbesondere für die USA, in denen wahrscheinlich nicht mehr neue Anlagen gebaut werden als 2015. In der Branche hat durch mehrere Übernahmen eine Konsolidierung stattgefunden. Für die Jahre 2017-2019 rechnet Bloomberg weiter mit einer schwachen Entwicklung.
  • Positiver als erwartet hat sich der Absatz von Elektroautos entwickelt: Bloomberg New Energy Finance hatte nur einen relativ moderaten Anstieg von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert. Tatsächlich lag der Zuwachs jedoch bei 56 Prozent, und zwar trotz des anhaltend niedrigen Ölpreises. Die Batteriepreise sind dabei um 22 Prozent zurückgegangen.
  • Die von Bloomberg in Aussicht gestellte Verdopplung beim Zuwachs der Grid-Speicher-Architektur hat sich mit voraussichtlich 780 zusätzlichen Megawatt nahezu erfüllt.
  • Der Verlauf der Gaspreise hat sich anders entwickelt als erwartet. Auch sinkende Grenzkosten und neue Exportanlagen für Flüssigerdgas in Ländern wie Australien haben hier nicht zu sinkenden Preisen geführt; stattdessen ist der Gaspreis auf den wichtigsten Märten bestenfalls stagniert (Japan) oder sogar angestiegen (Großbritannien).
  • Völlig daneben lag Blomberg New Energy Finance in Bezug auf die Preise im Emissionshandel. Anders als erwartet haben sich diese nicht stabilisiert, sondern sind stark gefallen – von 6,76 Euro zu Beginn des Jahres auf lediglich 4,14 Euro zum Jahresende. Umstrittene Reformen beim EU-Emissionshandel haben zudem zu einer generellen Ermüdung des Marktes geführt.
  • Die wohl sicherste Prognose hat sich erwartungsgemäß bewahrheitet: Weltweit investieren immer mehr Firmen und Städte in saubere Energien. 2016 wurden in Europa PPAs (Corporate power purchasing agreements) in der Höhe von einem Gigawatt abgeschlossen – im Vergleich zu lediglich 400 Megawatt im Jahr 2015. Auf dem amerikanischen Kontinent betrug das Volumen sogar 2 Gigawatt.

Wenn der Rückblick auf den Ausblick eines zeigt, dann die Dynamik des Wandels, in der sich der Markt für erneuerbare Energien befindet. Dass Vorhersagen nicht einfach sind, liegt auf der Hand. Die Vorhersagen immer wieder zu überprüfen ist deshalb nicht nur seriös, sondern auch ein gutes Mittel, den Wandel besser zu verstehen.

Strom direkt vom Nachbarn – mit der Blockchain

Während der Ausbau dezentraler erzeugter Energie schnell voranschreitet, hinkt die Technik zu deren effizienter Verteilung hinterher. Das Datenprotokoll „Blockchain“ könnte das ändern.

Ein großes Hindernis für den Ausbau dezentraler Energieversorgung ist das Fehlen eines leistungsfähigen und zuverlässigen Verteilungs- und Abrechnungsmechanismus: Bislang können dezentrale Stromerzeuger, beispielsweise PV-Anlagen, Blockheizkraftwerke oder Windkraftwerke, ihren Strom nicht ad-hoc nach Verfügbarkeit und Bedarf direkt an verschiedene Endverbraucher liefern.

Stattdessen speisen sie ihren Strom zum gesetzlichen Tarif ins Netz ein, wo er Teil eines anonymen Strompools wird. Um die Verteilung und Abrechnung zu ermöglichen, ist ein zentraler Versorger nötig, der zwischen die Vielzahl der Erzeuger und die Vielzahl der Abnehmer dazwischengeschaltet ist: Er kauft den Strom der Erzeuger und verkauft ihn wiederum an Endverbraucher, mit denen er jeweils Verträge geschlossen hat und abrechnet.

Dieser Zwischenschritt könnte mit Hilfe der Blockchain entbehrlich werden. Dabei handelt es sich um eine Technik zur dezentralen Speicherung von Transaktions-Daten. In einem verschlüsselten Protokoll werden die Eckdaten jeder Transaktion gespeichert, so dass sie für jedermann nachvollziehbar ist. Für den Stromhandel also die Information: Wer liefert wieviel an wen und zu welchem Preis.

Auch komplizierte Transaktionen über mehrere Stationen werden mit der Blockchain nachvollziehbar: Wie die Glieder einer Kette wird dem Protokoll für jede Transaktion ein neuer Datenblock hinzugefügt (daher „Blockchain“). Diese Daten sind nicht zentral gespeichert, sondern aktualisieren sich ständig bei jedem an der Blockchain beteiligten Teilnehmer. So ermöglicht die Blockchain, individuelle Lieferungs- und Zahlungsströme abzubilden und nachzuvollziehen.

Damit ist die Blockchain in der Lage, genau das zu leisten, was fehlt, damit dezentrale Kleinerzeuger und Endverbrauchern – die sich nicht kennen und deshalb auch keine Vertrauensgrundlage haben – miteinander ins Geschäft kommen: Exakte, sichere und nachvollziehbare Information darüber, wieviel Kilowatt geliefert werden und zu bezahlen sind. Mit Hilfe der Blockchain könnten sie auf relativ sicherer Grundlage und mit höchster Transparenz Ad-hoc-Lieferverträge schließen.

Ob die Blockchain die Welt gerechter macht, wie zum Teil behauptet wird, wissen wir nicht. Zumindest aber erscheint die Technik geeignet, die Energieversorgungslandschaft umzukrempeln und effizienter zu machen.

Buchtipp: Contracting-Rechtsfragen verständlich erklärt

Contracting-Lösungen bieten eine wirtschaftlich interessante Möglichkeit, den Energieverbrauch von großen Wohn- und Gewerbeimmobilien zu optimieren. Die rechtlichen Fragen, die dabei zu beachten sind, erklärt das Handbuch des Energierechts-Experten Martin Hack, das jetzt in einer neuen, ergänzten Auflage erschienen ist.

Contracting-Lösungen sind juristisch vielschichtig: Sie berühren Vertragsrecht, Energiewirtschaftsrecht, Mietrecht, Eigentumsrecht – in bestimmten Konstellationen auch Vergabe- und Planungsrecht etc. Wer sich erstmals damit beschäftigt, dem fällt die Orientierung deshalb oft schwer.

Das Buch von Rechtsanwalt Martin Hack bietet die bislang einzige zusammenhängende Darstellung des Rechts der dezentralen Energieversorgung. Klar, strukturiert und verständlich behandelt der Autor sämtliche Rechts- und Praxisprobleme, die in diesem Zusammenhang auftreten können. Darüber hinaus enthält das Buch Praxishilfen in Form einer Checkliste und eines Mustervertrags. So erhält der Leser die Grundlage für die seinen individuellen Anforderungen entsprechende Gestaltung von Contracting-Verträgen.

In der nun erschienenen 3. Auflage wurden die rechtlichen Neuerungen der letzten Jahre sowie Themen wie Mieterstrom, Wärmelieferverordnung und Speichertechnologien berücksichtigt. Lesenswert!