Die Energiewende: Zu teuer, kein Vorbild oder große Chance?

An der Umsetzung der Energiewende entzündet sich immer wieder Kritik – vor allem an den Kosten. Im Silicon Valley hält man das für kleinlich. Drei Sichtweisen auf eine Energiewelt im Umbruch.

Kein Überblick über die Kosten, keine ausreichende Definition der Ziele und keine gute Koordinierung des gesamten Projekts – die Regierung schlampt bei der Energiewende. So lautet das vernichtende Fazit einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof, über die die FAZ berichtete. Die Behörde fordert das Bundeswirtschaftsministerium dazu auf, die Energiewende besser zu strukturieren und die jährlich zur Verfügung stehenden 3 Milliarden Euro zielgerichteter und effizienter einzusetzen.

Zu teuer und kein Vorbild

Eine Studie des „Weltenergierats“, über die die schweizerische NZZ berichtete, stellt der deutschen Energiewende ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus: Sie sei kein Vorbild für andere Länder, meint die große Mehrheit der Befragten. Sie verursache nur Kosten und sei nicht in die Strukturen der Nachbarländer zu integrieren. In jedem dritten Land außerhalb Europas nehme man sie nicht einmal wahr. Man muss dazusagen: Zu den Mitgliedern des Weltenergierats zählt eine ganze Reihe von Verbänden und Unternehmen aus der Gas- und Ölindustrie sowie diverse große Energieversorger.

Revolutionär wie das Internet

Im Silicon Valley dagegen, herrscht eine völlig andere, geradezu euphorische Sichtweise vor: Das dort ansässige Startup-Portal techcrunch.com sieht in den aktuellen Umbrüchen des Energiemarkts gigantische wirtschaftliche Chancen, vergleichbar mit der letzten technologischen Revolution, dem Internet. Das „Enernet“, d.h. die Struktur aus kleinen, innovativen, dezentralen Technologien, die das zentralistische Modell aus großen, schwerfälligen Versorgungsunternehmen ablösen wird, werde unser Leben dramatisch verbessern. Die Frage nach den Kosten, Sorgen und Zweifel werden weggewischt. „Wir schauen ja auch nicht auf  die Entwicklung des Internet zurück und sagen: Wow, das ging langsam voran und hat eine Menge Geld gekostet. Wären wir besser mal bei Schreibmaschine und Festnetz-Telefon geblieben“, so der Autor.

Eine Frage der Perspektive

Diese Schlaglichter zeigen: Die Bewertung hängt eben ganz entscheidend von der Perspektive ab: Je nachdem, ob man das Thema aus dem fiskalisch-prüfenden Blickwinkel des Bundesrechnungshofes, der Betroffenen-Sichtweise von von Öl und Gas-Lobbyorganisationen oder durch die Nerd-Brille eines Startup-Unternehmers betrachtet. Alle drei Sichtweisen sind nachvollziehbar und haben durchaus ihre Berechtigung. Keine dieser Sichtweisen allein reicht aus, um dem Thema gerecht zu werden. 

Umbrüche sind selten effizient

Wie alle disruptiven Marktveränderungen wird auch die Energiewende nicht völlig kontrolliert und effizient ablaufen. Sie wird vermeidbare Kosten verursachen (zum Leidwesen des Bundesrechnungshofs) und Kapital und alte Pfründe vernichten (zum Leidwesen von Öl- und Gasunternehmen). Sicher wird auch nicht jede Zukunftsvision von Silicon Valley-Pionieren wahr werden. Aber dass die Idee und Ihre Umsetzung eine enorme Kraft entfaltet hat, die weit über Deutschland hinausgeht, ist unbestreitbar. Das zeigen alle drei Perspektiven.

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